ÜBER AUSTAUSCH AUF AUGENHÖHE, KULTURELLE TEILHABE UND SELF-EMPOWERMENT

11.05.2020

Ein Interview mit Charlotte Njikoufon über ihr soziales Engagement, unter anderem als Multiplikatorin des Programms „Kultüröffner: Museum“. Von Julia Albrecht, Transkription Rachel Etse (Weltkulturen Bildung und Vermittlung)

Charlotte Njikoufon besuchte das Weltkulturen Museum im Rahmen des Kooperationsprojekts „Kultüröffner: Museum“, eine Zusammenarbeit zwischen dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten (AmkA), fünf Frankfurter Ausstellungshäusern und sozial engagierten Menschen aus verschiedenen Communities. Sie begleitete eine Frauengruppe bei einer mehrsprachigen Führung durch die Ausstellung „Weltenbewegend. Migration macht Geschichten“.

Weltkulturen Museum: Können Sie mir kurz über Ihr Engagement bei „Kultüröffner: Museum“ erzählen?

Njikoufon: Ich bin eine Kultüröffnerin. Seit 2001 engagiere ich mich beim AmkA als Multiplikatorin in mehreren Projekten. Aus meiner Sicht bietet „Kultüröffner“ den Teilnehmer*innen – in meinem Fall nur Frauen – eine günstige Gelegenheit, Neues kennenzulernen. In diesem Rahmen ist es für die Beteiligten eine gute Chance, während der Ausflüge ihre Freizeit zu genießen, aber gleichzeitig auch viel zu lernen. Das bedeutet, die Kooperation mit dem AmkA und den Museen trägt zum Empowerment der Frauen in den von mir organisierten Gruppen bei.

Weltkulturen Museum: Welche Rolle haben Sie bei den Museumsausflügen?

Njikoufon: Zunächst kümmere ich mich um viele kleine Details, damit die Frauen überhaupt ins Museum kommen können. Bei unserem Besuch im Weltkulturen Museum habe ich für zusätzliche Dolmetscher*innen gesorgt, damit alle Frauen der Führung folgen konnten. Es gab Arabisch, Somali, Französisch und Farsi sprechende Frauen in der Gruppe. Meine Rolle bei der Führung war es, auf Französisch zu übersetzen.

Weltkulturen Museum: Wie haben Sie und die Gruppe Ihren Besuch in der aktuellen Ausstellung erfahren?

Njikoufon: Wir fanden die Ausstellung sehr gut. Wir waren alle begeistert, denn wir konnten uns in der Ausstellung wiederfinden. Wir begannen zunächst in den Räumen der Bildung und Vermittlung. Dort konnten wir uns mit den ausgestellten Objekten zum Anfassen beschäftigen. Und jede von uns konnte irgendeinen Bezugspunkt zu den Objekten finden. Jede Frau konnte etwas zu einem Objekt sagen und noch mehr – sich zum Teil damit auch identifizieren. Nachher ging es weiter in die Ausstellungsräume in den beiden unteren Stockwerken. Auch hier fanden wir es sehr spannend, weil wir in den Räumen Verbindungen von Religion, Politik, Geschichten und Musik entdecken konnten. Für die Gruppe war viel Interessantes dabei. Wir waren außerdem sehr fasziniert von den verschiedenen Stoffen (Wax-Prints und Wachsbatik). Die Geschichte der Stoffe, so wie die Stoffe von Indonesien nach Afrika gewandert sind zum Beispiel, fanden wir äußerst interessant. Für einige von uns war es ein besonderes Erlebnis, die Stoffe in einem Museum zu sehen. Ein Highlight für mich persönlich war, dass Präsident Paul Biya, seit 36 Jahren im Amt, aus meinem Land Kamerun auf einer der Stoffbahnen abgebildet war.

Weltkulturen Museum: Die Gruppe freute sich über die vielen Anknüpfungspunkte in der Ausstellung?

Njikoufon: Ja. Es gibt zum Beispiel eine Vitrine mit Koranversen, die die muslimischen Frauen in der Gruppe spontan für die anderen übersetzt haben. Sie fingen auch an, diese vorzulesen. Besonders für uns Christinnen in der Gruppe waren die Bilder verschiedener Religionen, wie zum Beispiel Mami Wata, von großem Interesse. Wir Frauen, die aus afrikanischen Ländern kommen, haben uns gegenseitig angeschaut (lacht), da Mami Wata für uns eher ein geisterhaftes Wesen (Wassergeist) darstellt. In afrikanischen Ländern wird Mami Wata nicht immer positiv angesehen. Es kann sein, dass ihr Bild in anderen Ländern romantisiert wird, aber in Afrika ist diese Figur, meiner Erfahrung nach, sehr mystisch und eher ambivalent.

Weltkulturen Museum: Frau Njikoufon, Sie sind nicht nur bei „Kultüröffner“ aktiv. Was sind die anderen Projekte, für die Sie sich engagieren?

Njikoufon: Ich arbeite in einem Beratungszentrum als psychosoziale Beraterin für Frauen afrikanischer Herkunft. Bei „FIM - Frauenrecht ist Menschenrecht e.V“ werden Frauen aus vier Kontinenten beraten. Zudem bin ich Vorsitzende vom Verein „Kone - Netzwerk zur Förderung kommunikativen Handelns“. „Kone“ bedeutet Solidarität und in diesem Zusammenhang haben wir den Frauenbesuch im Weltkulturen Museum organisiert. In meiner Arbeit geht es immer um Empowerment von Frauen, Mädchen, Jugendlichen und Kindern in der Diaspora oder mit einer Migrationsbiografie, insbesondere afrikanische Frauen in der Diaspora. „Kone“ bietet regelmäßig verschiedene Workshops gegen Rassismus an. Wir organisieren viele unterschiedliche Projekte und sind außerdem Mitglied bei „DaMigra e.V. - Dachverband der Migrantinnenorganisationen“.

Weltkulturen Museum: Wie kommt es, dass Sie sich persönlich so stark engagieren?

Njikoufon: Mein Vater war Diplomat in der kamerunischen Botschaft in Bonn von 1977 bis 1987, das heißt, Engagement habe ich zu Hause vorgelebt bekommen. Als Studentin in Aachen war ich auch sehr engagiert als Kulturvermittlerin. Danach kehrte ich nach Afrika zurück und habe als Entwicklungshelferin in Togo gearbeitet. Ich bin jemand, der durch und durch sozial engagiert ist.

Weltkulturen Museum: Das ist für Sie selbstverständlich?

Njikoufon: Für mich ist es selbstverständlich. Ich teile gerne das, was ich habe. Frauen mit Migrationshintergrund dürfen aber für mehr als nur als Multiplikatorinnen eingesetzt werden. Sie können mit ihrem Wissen und ihrem Know-how an den richtigen Stellen etwas Wichtiges beitragen. Sie müssen jedoch auch entsprechend bezahlt werden. Und wenn das passiert, dann ist es ausgeglichen. Es ist schade, wenn Menschen mit Migrationshintergrund, die hochgebildet sind, die ganz viel zu geben haben, immer wieder im Schatten bleiben und nur nach vorne geholt werden, wenn es nützlich ist. Das finde ich mittlerweile ziemlich ungerecht. Es gibt sehr viel zu tun hier in der Gesellschaft und jede Migrantin, ob bereits etabliert oder nicht, kann etwas beitragen und eine Bereicherung für die Gesellschaft sein. Da ich sehr vernetzt bin, weiß ich, wovon ich rede.

Weltkulturen Museum: „Kultüröffner: Museum“ und Museen wie das Weltkulturen Museum arbeiten zusammen, um mehr Partizipation zu ermöglichen. Wie wichtig schätzen Sie solche Bemühungen ein?

Njikoufon: Partizipation am Gesellschaftlichen kann nur in Zusammenarbeit stattfinden. Um mehr beitragen zu können, ist ein Geben und Nehmen notwendig. Ich finde es wichtig für die Migrantinnen in meinen Gruppen, dass sie die deutsche Kultur entdecken. Und es gibt viel zu entdecken. Sie werden dadurch aus der Isolation, aus ihren Communities rausgelockt. Gleichzeitig werden sie auch gestärkt – dadurch, dass sie mit Neuem, wie beispielsweise einer Ausstellung in einem Museum, in Berührung kommen. Vielleicht hatten sie in ihren Heimatländern nicht die Möglichkeit dazu, häufig, weil sie mit anderen Aufgaben beschäftigt waren. Mehr Partizipation bietet diesen Frauen die Möglichkeit, sich hier weiterzuentwickeln und auch Spaß zu entdecken. Das ist nicht nur für sie vorteilhaft, sondern auch für die ganze Familie. Sie können mit ihren Kindern Ausflüge unternehmen und sich dann mit ihnen darüber austauschen. Auch das gehört zum Empowerment. Denn es ist sehr wichtig, die Frauen zu stärken, damit sie als Vorbilder für ihre Kinder dienen können und helfen, dass die Kinder selbstbewusst ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen.  



Bio

Charlotte Njikoufon studierte BWL mit Abschluss Dipl.-Betriebswirtin an der FH Aachen, sowie Erziehungswissenschaften, M.A. Erziehung und internationale Entwicklung an der Goethe-Universität Frankfurt. Außerdem hat sie eine Weiterbildung zur zertifizierten personenzentrierten Beraterin an der GwG, Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächstherapie absolviert. Sie arbeitet an ihrer erziehungswissenschaftlichen Promotion.

Info

Mit dem Programm "Kultüröffner: Museum" werden Frankfurter Ausstellungshäuser zu Begegnungsorten – für Menschen mit verschiedenen Herkunftssprachen und alle, die diese als Fremdsprache lernen.  Ein Projekt des AmkA, Amt für multikulturelle Angelegenheiten: www.amka.de/kulturoeffner   

Hier geht's zur Online-Ausgabe der Weltkulturen News 02.