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JOUR FIXE REKAPITULATION: Advisors & Consultants - Museen und ihre ‚indianischen’ Berater*innen

Vortrag von Dr. Markus Lindner  

Während die Provenienzforschung und Bearbeitung von Restitutionsforderungen von Objekten aus der Kolonialzeit in Europa erst in letzten Jahren zu einer zentralen Aufgabe der ethnologischen Museen zählen, ist dies in den USA schon seit 1990 der Fall. Dieser zeitliche Vorsprung ermöglicht es, dass die amerikanischen Museen immer wieder als Vorreiter für neue museale Entwicklungen auftreten. Durch den 1990 in Kraft getretenen Native American Graves Protection and Repatriation Act (NAGPRA) mussten sich dortige Museen verstärkt in einen Dialog mit den indianischen Stämmen begeben. Allerdings gab es schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine zum Teil enge Zusammenarbeit zwischen Museumsethnolog*innen und indigenen Spezialist*innen. Der Lakota-Historiker und -Künstler Arthur Amiotte interpretiert die seitdem stattgefunden Veränderungen auf einer Generationenbasis. Insbesondere der Tod der letzten Zeitzeugen der Vorreservationszeit und der drohende Wissensverlust durch das hohe Alter der darauf folgenden, zwischen 1870 und 1910 geborenen Generation hat ab den 1960er-Jahren dazu geführt, dass Museen Mitglieder dieser Altersgruppe in Ausstellungen eingebunden haben. Gleichzeitig erwarb die vierte Generation, die von den 1930er- bis in die 1950er-Jahre geboren wurde, akademisches Wissen, das entweder das orale Wissen der zweiten Generation ergänzte oder zu einem separaten Wissensschatz wurde. Dadurch gab es ab den frühen 1970er Jahren indianische Künstler*innen, die selbst kuratorisch tätig wurden. Heute ist die Zusammenarbeit zwischen Museen und den indianischen Partner*innen geprägt von engem, nachhaltigem Kontakt, der zu kontroversem und zugleich konstruktivem Dialog führt. Dabei zeigt sich, dass gut gemeinte Vorsicht bei der Objektauswahl durch Museen oder Kritik aus der Öffentlichkeit manchmal im konkreten Fall von den indigenen Expert*innen als falsch interpretiert wird. Die vom Field Museum (Chicago) als Pawnee Earth Lodge aus den 1970er Jahren, sollte z. B. abgebaut werden, weil die Museumsmitarbeiter*innen sie als historisierend betrachteten. Die Pawnee dagegen legten großen Wert darauf, sie aus authentische Earth Lodge zu erhalten. So entstehen Ausstellungskonzepte, die Museen zu Orten machen, die auch für die indianische Bevölkerung der USA Bedeutung haben, nicht nur für die euro-amerikanische. Trotz aller Vergleichsprobleme sollte diese Art von enger Zusammenarbeit als vorbildhaft für Europa angesehen werden

Weltkulturen Labor
Getäfelter Raum, Schaumainkai 37